17.February 2011

endlich autor.

ein auf niederer flamme immer wieder gekochte traum wird dank der wunderbaren unterstützung durch den milena-verlag im herbst erfüllt: ich habe meine bildungskarenz dazu genützt, einen roman zu schreiben. Der Titel “Sie sprechen mit Jean Amery, was kann ich für sie tun?” erscheint im September. Ich freu mich wirklich sehr und lade zu allerhand lesungen und partys im herbst ein.

autor

als kleiner textausschnitt schon vorneweg:

Es war schon nach Mitternacht als Frank in Ottakring die U-Bahn verließ. Nicht mehr viele Menschen waren um die Zeit unterwegs und alle immer noch sehr schnell. Der Weg zu seinem Gemeindebau dauerte höchstens vier Minuten, Eile war jedenfalls nicht angebracht. Der Block bestand aus vier Häusern, wie die meisten Gemeindebauten aus den 20er- und 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts war er wie eine kleine Trutzburg mit massiven Stahlgittertoren, die jeweils ab von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens gesperrt werden. Frank war mit diesen überzogenen Sicherheitsmaßnahmen aufgewachsen. Strenge nachbarschaftliche Kontrolle sorgte dafür, dass nachlässige MieterInnen sanktioniert werden. Irgendwann hat auch Frank nachgegeben und für seinen Hausfrieden das Auf- und zu Sperren verinnerlicht. Er bog in die Enekelgasse ein und sah einen Schatten in den Eingang seines Hauses huschen. Er beeilte sich, um nicht selbst aufsperren zu müssen. Er konnte niemand sehen, im Eingang lag ein Strauss mit ungefähr fünfundzwanzig Rosen. Noch bevor Frank seinen Schlüssel fand, blieb neben ihm ein Polizeiwagen mit Blaulicht stehen. Ein Beamter und eine Beamtin sprangen aus dem Wagen. Sie schrie Frank an: „Wo ist er?“ Ihr Kollege musste noch mal kurz zum Wagen, da er seine Kappe am Armaturenbrett des Fahrzeugs vergessen hatte. Ohne einleitende Begrüßungsformel nahm man an, dass völlig klar war, was passiert sein könnte, und, dass Frank reflexartig dieselben Verfolgungswünsche hegte, wie die beiden PolizistInnen. „Die Rosen! Wo ist Er?“, schrie ihn jetzt auch der Polizist an. „Ist der Rosenverkäufer überfallen worden? Wo? Es gibt so viele Neonazis da, ist ihm was passiert?“, fragte Frank mit gespielter Aufgeregtheit zurück. Kurz dachten die beiden BeamtInnen nach, was Frank damit meinen könnte, dann waren sie wieder ganz ErmittlerInnen. „Die Rosen!“, wiederholte der Beamte und deutete auf den Strauss, der neben Frank im Hauseingang lag. „Was ist mit meinen Rosen? Ich hab sie für meinen Freund gekauft. Stimmt mit ihnen was nicht?“ – „Wo?“ fragte der Polizist, „Wo ist er?“, schrie seine Kollegin. „Meinen sie den Rosenverkäufer?“ – „Wohin ist er gelaufen?“. Es war klar, dass sie in Erfüllung ihrer Pflicht die verlorene Fährte wieder aufnehmen wollten. Frank deutete in Richtung U-Bahn. „Ich hab ihm die letzten abgekauft, dann ist zur U-Bahn geschlendert.“ Die beiden sprangen wieder in den Wagen und fuhren weiter. Frank schloss das Stahltor gewissenhaft ab, nahm den Rosenstrauß und fragte halblaut in den dunklen Innenhof: „Wie viel kosten die alle?“. Es dauerte ein paar Sekunden, vielleicht auch eine halbe Minute, bis es hinter den Müllcontainern im Hof raschelte und ein verärgerter, leicht verschüchterter etwa fünfzigjähriger Mann auf Frank zu kam. „Was kosten die?“ wiederholte Frank seine Frage. „Alle?“ – „Ja, alle!“. Sie einigten sich auf fünfzehn Euro. „Ich heiße Frank! Kommen sie noch mit hoch auf einen Tee?“ – „Danke, ich heiße Ahmed, ein Bier wäre mir lieber“.

Frank hatte keine geeignete Vase, so verteilte er die Rosen auf acht Milchflaschen und machte ein Foto davon. Ahmed mochte nicht mit auf das Bild. „Warum waren die hinter ihnen her?“ – „das ist Alltag, Frank. Wir haben keinen Gewerbeschein, kriegen auch keinen, sie nehmen uns das ganze Geld ab, einfach so und dann gibt’s Strafen, ganz nach Willkür, tausend Euro ist keine Seltenheit. Und wenn du Strafen hast verlierst du die Aufenthaltsgenehmigung. Seit zwanzig Jahren bin ich hier, immer dieselbe Scheiße und es wird noch schlimmer.“ Ahmed öffnete das Bier gekonnt mit seinem Feuerzeug und prostete Frank zu. „Danke übrigens, es gibt wenige wie dich, die sich zumindest das trauen“. Frank brachte noch Brot, Käse und Oliven und setzte sich zu Ahmed auf die Couch. „Als mein Onkel in den 70er-Jahren mit Freunden nach Wien gekommen ist,  haben sie als Zeitungszusteller gearbeitet und versucht, sich zu organisieren. Keiner hat geholfen auch nicht die Gewerkschaft, sie sind alle rausgeflogen“. „ich habe in Alexandria Soziologie studiert und seit zwanzig Jahren verkaufe ich euch Rosen und werde verfolgt wie ein Verbrecher.“ – Frank fand keinen Ansatz in das Gespräch einzusteigen. Er schämte sich für Wien. „Ihr redet immer von einem Ausländerproblem, ihr habt ein Rassismusproblem, Mann!“ Frank brachte Ahmed noch ein Bier und prostete ihm zu. „Leute wie du sollten nicht nur freundlich sein, Frank, es ist schon gut, dass ihr uns dort und da helft, aber ihr müsst auch was dagegen tun, denen nicht alles durchgehen lassen, nicht für uns, sondern für euch selbst, verstehst du?“ – „Wahrscheinlich hast du Recht, Ahmed, wir dürfen nicht alles durchgehen lassen, magst du noch ein Bier?“ „Danke, danke, ich geh jetzt lieber, lass dir was einfallen!“. Frank umarmte Ahmed und klopfte ihm dabei auf die Schultern. „Versprochen!“