25.June 2011

la cosa

hab mich heute erstmals an einen poetry slam gewagt. war sehr schön im arkadenhof der uni wien. ich hab mit meinem text “la cosa” nicht reüssieren können und habs nicht ins finale geschafft. danke jedenfalls an anna babka, die das organisiert hat und markus köhle, der ein wirklich süßer moderator war. zur doku hier noch mein texto:

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La Cosa

 Sie waren sieben, als Gruppe seit fast 3 Jahren formiert und in der Krise. Ständig auf der Suche nach den Schnittstellen zwischen Kunst, Politik und Wissenschaft hatten sie die Orientierung verloren und nannten sich „la cosa“ – das Ding. Einen neutraleren Namen konnten sie nicht finden, und das italienische gab irgendwie Hoffnung auf mehr.

Wieder mal rausgehen war angesagt, Spuren hinterlassen, unumkehrbare Ereignisse provozieren. Irgendwas Eindeutiges, das der Verlesekreisung entgegenwirken könnte und diesmal keinem call folgen, auch keinem open call und keinen Antrag mehr, außer einem gefälschten! Das war’s! Sie steckten die Köpfe zusammen tranken einige Biere und versicherten sich gegenseitig dies am Tag vor der Aktion nicht zu tun. Sam und Moni wurden ausgewählt, den Plan umzusetzen.

„Guten Tag, wir kämen jetzt um das Kunstwerk zu gestalten!“ Sam legte dem Portier der Universität Wien ein perfekt gefälschtes Auftragspapier der BIG-ART vor mit Stempeln und Skizzen und alles in Farbe. Der Konjunktiv strahlt im Österreichischen eine erstaunliche Bestimmtheit aus. Der gute Mann zweifelte, wie er immer zweifelte, wenn junge Leute was von ihm wollten, so hatte er es gelernt und er war fast immer gut damit gefahren. Nur einmal war er wirklich eingefahren, vor zwei Jahren. Als diese Frau den Schatten einer anderen Frau auf den Boden des Arkadenhofes malte, und sagte die BIG habe das angeordnet – es sei Kunst! Er konnte nicht glauben, dass es keinen Stempel des Rektors mehr benötigte; bestimmt, ganz bestimmt hätte der und sein Vorgänger das nicht erlaubt, niemals! Er stoppte die Frau, zumindest kurz. Eine Immobiliengesellschaft mit dem albernen Namen BIG bestimmte, dass eine Künstlerin einen Schatten auf den Boden malen durfte. „der Muse reicht´s!“ hieß das Projekt und er und wurde bei der Eröffnung dann noch als sichere Lachnummer in die Rede eingebaut.

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 Jetzt standen wieder zwei Künstlerinnen vor ihm, sie hatten die selben Stempel wie damals und der Rektor war mit dem Senat beim Heurigen. Er blätterte alles durch, der Glassarkophag um den Siegfriedskopf sollte mit Sprühlack buntbefleckt bedeckt werden. „Der Schädel is ka Kunst, der is Geschichte!“. Ungewollt stieg der Portier in moderne Diskurse ein und forderte Sam und Moni heraus. „Genau an den Schnittstellen greifen wir ein, verändern die Geschichte mit künstlerischen Mitteln und bieten dadurch Raum für neue wissenschaftliche Fragestellungen“. Der elaborierte Schwachsinn beeindruckte den Portier, er warf noch einen Blick auf die Unterschriften und die Stempel, schüttelte den Kopf mehrmals und schlüpfte in seinen blauen Arbeitsmantel. „Ich begleit sie, meine Damen“.

 

Alles lief gut, Sam und Moni wirkten in ihren Overalls wild entschlossen, der Mundschutz verstärkte noch ihr professionelles auftreten. Sie packten die vier Spraydosen aus, schüttelten sie kräftig und stellten sie sorgfältig neben dem Sarkophag auf. Sorgfältig legten sie im Umkreis von einem halben Meter Zeitungspapier rund um den Kunstort, was die letzten Restzweifel des Portiers bezüglich der Rechtmäßigkeit zerstreute. Sam und Moni schritten zur Tat und sprühten und sprühten und sprühten.

 

 „Des kann i a! – wann des Kunst sein soll, dann bin i a a Künstler“ – Sam streckte ihm rot und gelb entgegen, beide voll und beide gut geschüttelt. „Beweisen sie`s, mein Herr!“. Wie oft hatte er die Ordnung der Dinge bewahrt, oft und oft wurde er dafür auch belobigt, war Vorbild für junge Kollegen, es gab keinen Zweifel, dass er das richtige tat. Nie. „der Muse reicht´s“ und er wollte nicht mehr ausgelacht werden. Dann lieber dabei sein. Ein Künstler! Warum nicht? Er griff zu rot und gelb, schüttelte die Dosen sicherheitshalber noch einmal kräftig und genoss seinen ersten großen Selbstermächtigungsrausch. Pfffff!  Pffffffffffffff pfffffffffffffffffffffffffff pffffffffffff!

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