23.March 2012

ernst gemeint.

am 26. märz beginne ich mein nächstes schreibabenteuer, eine im weitersten sinn fortsetzung von “sie sprechen mit jean amery, was kann ich für sie tun”. von september bis dezember 2011 wurden davon 826 stück verkauft, von vielen leserInnen erhielt ich aufmunterndes feedback und ernstgemeintes lob, ein nicht zu unterschätzender faktor, auch was die ausrichtung künftiger arbeiten betrifft. letztendlich ist es auch erstrebenswert, die gläserne wand zwischen schreibenden und lesenden niederzureißen, auch wenn es naiv wäre zu glauben, daß dies jemals ganz gelingen könnte. oft werde ich gefragt, warum ich hier so viele details des rundherum offenlege, wer mir geholfen hat, wie das buch rezipiert wird, wer aller an der entwicklung teilgehabt hat.

ich halte das für eine selbstverständlichkeit für einEn fortschrittliche community. es ist mir völlig unverständlich, dass in österreich über einkommen, verträge, soziale kontakte ein mantel des schweigens herrscht und auch die meisten autorInnen und verlage geben weder auflage noch kontakte, oder gar details über neue projekte preis.

grade rechtzeitig, quasi als letzten notwendigen schubser um wieder die ersten 5000 zeichen eines neuen 300.000 zeichen-romans zu schreiben, hat mir ein flüchtiger bekannter, ein schachfreund, gegen den ich vor jahren mal eine turnierpartie gespielt habe ein feedback gegeben, das nicht nur motivierend war, sondern sogar konkrete handlungsvorschläge gegenen hat. in absprache mit ihm möchte ich es hier exemplarisch für viele andere anonymisiert wiedergeben.

Hallo Kurto Wendt,

auch wenn wir uns nur vom Schach flüchtig aus einer Partie bei einem Auhof Open kennen, erlaube ich mir Dir zu Deinem Roman-Erstling zu gratulieren.

Ich war zunächst eher skeptisch. “Schon wieder so ein Wien-Roman eines Möchtegern-Autors” hab ich mir gedacht, ihn aber vorletzte Woche trotzdem gekauft, schon aus Schachspieler-Solidarität und obwohl fast pleite.

Umso größer war die Überraschung: Von der ersten Seite an interessant und spannend geschrieben, flüssiger, eleganter Schreibstil, authentische Figuren, ein ungewöhnlicher, geschickt konstruierter Plot, verpackt in unaufdringlich gescheite Haltungen. Insgesamt ein Lesevergnügen!

Wollte Dich mit diesem Statement auch ermutigen, falls das überhaupt notwendig ist, weiter zu machen, denn Du hast es m.M. nach drauf.

Mit liebem Gruß

E.D.

P.S.:
Ist nun damit zu rechnen, dass Du Deine “K”s bei Gastspielen in unsere Schachbretter ritzt? In diesem Falle wird zurrrrückkkgerrrritzt!

foto_leo_tolstoj_schach.jpg

 auch leo tolstoi erholte sich zwischen “krieg und frieden” mit so mancher partie schach

 

 

ich hab ihm geantwortet:

  hallo e. !

danke für die duftenden blumen. es freut mich sehr, wenn sich jemand die zeit nimmt und ein feedback zu geben, das dann auch noch positiv ausfällt. ich würde dein mail gerne anonymisiert auf meine homepage geben, ich leg dort nämlich möglichst alles offen, was rund ums schreiben so passiert, um die barriere zwischen schreibenden und lesenden einzureißen. ich glaube , dass viel mehr leute schreiben könnten, und es braucht ermutigung für die die schon geschrieben haben und jene die vielleicht kurz davor sind.

ich bin grad wieder für 3 monate in bildungskarenz und setz mich ab nächste woche hin, um eine nachfolgegeschichte u schreiben, insofern kommt die ermunterung zum richtigen zeitpunkt. wenn ich gut voranschreite und im mai noch kein badewetter ist, spiel ich das tschaturanga-open. vielleicht laufen wir uns ja dort über den weg.

lg
kurto

und er ergänzte dann:

a) Anonyme Veröffentlichung auf deiner hp kein Problem. Nur zu.
b) Mich persönlich hat Dein Buch (und deine sonstige performance) auch angespornt bzw. inspiriert, wieder zu schreiben und mich ganz allgemein und grundsätzlich mehr einzubringen, Motto: Leben und Leisten, alles andere ist sinnlos.

Wünsche Dir und hoffe zuversichtlich, dass Du auf Dein Gesellenstück noch einen drauf setzt. Das Talent dazu hast Du! Mach aus der Gunst der Stunde das Beste, hau jetzt alles rein und raus, was Du zur Verfügung hast, was in Dir drin ist. Je eher desto besser, aber lass Dir auch die Zeit, die Du brauchst dafür.

LG
E.

P.S: Dein Plot ist ja so angelegt, absichtlich oder nicht, dass es viele denkbare Zukunfts-Szenarien gibt: Was machen die “Verschwörer”, wie geht diese Geschichte aus? Wer eigentlich ist Bo und Calla? Wie ergeht es Frank? Kehrt er irgendwann zurück und wenn ja warum? Kommen Magda und Frank doch noch zusammen? Ich sehe tausende Verzweigungen und Fortsetzungen. Der Frank ist der ideale Occupy- oder auch Anonymous-Aktivist. Du könntest ihn als modernen, metrosexuellen und globalen Robin Hood zu einer zeitgemäßen Bestseller-Figur a la Mankells Wallander erschaffen. Um ihn und den Plot authentisch, informativ und lesenswert zu zeichnen brauchst Du aber viel Recherche, Zeit, d.h. auch (Zeit)-Budget. Ich will damit nur sagen: Überlege Dir ernsthaft, ob es der Erstling, die nun mal geschaffene Figur Frank, nicht wert ist, darauf aufzubauen und - jetzt oder nie! - eine große, fette Geschichte rauszuhauen, die ein ganzes Schriftsteller-Leben begründen könnte.

Jetzt ist mir schon klar, dass ich seine Hoffnung, ein kleiner Mankell zu werden nicht erfüllen kann und dies setzt mich auch nicht unter Druck. Aber die Träume sind auch Teil jedes kreativen Schaffens und ich bin (auch) zum Träumen aufgelegt.