19.March 2008

schaden ersatz.

das leben beschert einem so manches malheur. in einer gesellschaft, in der sich mit angst vortrefflich geschäfte machen lässt, zahlt fast jedEr schutzgelder an vertrauensvoll werbende versicherungskonzerne. neben den gesetzlich vorgeschriebenen sozial-, pensions-, und arbeitslosenversicherungen zahle ich seit über zehn jahren schutzgeld an die wiener städtische versicherung in form einer haushalts- und rechtsschutzversicherung.

unlängst setzte ich mich irrtümlich auf den sehbehelf meiner freundin und schilderte das malheur meinem mir zugewiesenen versicherungsvertreter. dieser wahrhaft überaus freundliche und sympatische mann nahm den schaden auf, prüfte sorgfältig, war sogar mit einer gescannten rechnung über sechsundneunzig euro zufrieden - alles schien seinen lauf zu gehen.

die schadensabteilung prüfte noch genauer und der freundliche mann sah sich genötigt mir folgendes email zu schicken:

ich habe heute Montag eine Mitteilung unserer Schadensabteilung bekommen.
Die geht von einem 50%-igen Mitverschulden von Frau H. aus, weil sie ihre Brille auf einer Sitzgelegenheit abgelegt hätte. Können Sie mich deswegen bitte nochmals kurz anrufen:

ich ignorierte seinen wunsch, auch wenn ich das gefühl hatte, ihn eventuell trösten zu müssen und schickte ihm stattdessen folgendes antwortmail:

Sehr geehrter Herr F.!

Der Hocker auf den ich mich irrtümlich gesetzt habe wird von Frau H. nicht als Sitzgelegenheit genutzt, sondern als Ablage. Es war mir sehr peinlich, den Schaden verursacht zu haben und ich finde ihren administrativen Aufwand für einen 96 Euro-Schaden äußerst peinlich. Ich werde den Schaden lieber selbst begleichen, als Frau H. zu erklären, sie wäre mitschuldig an meinem Mißgeschick!

Ich habe in über 10 Jahren 2 ganz kleine Schadensfälle gehabt und muß mich jetzt um einen kleinen Schaden kümmern, als wäre das Haus abgebrannt.
Sollten sie die Angelegenheit nicht ohne weitere Aufwände meinerseits erledigen können muß ich meine Zusammenarbeit mit der Städtischen in Frage stellen.

ich war gespannt, ein schönes spiel. die antwort liess keine zwei stunden auf sich warten.

Sehr geehrter Herr Wendt,
Frau H. hat den Rechnungsbetrag für die Brillenreparatur in voller Höhe überwiesen bekommen. Ich bitte Sie um Entschuldigung für die aufgetretenen Hindernisse. Sie haben Ihren Teil zur Schadensabwicklung sehr korrekt beigetragen und haben zu Recht eine einfache Erledigung erwartet.
Bitte tragen sie uns nichts nach und genießen Sie Ihren Urlaub in der Ramsau!

und wieder wollte ich den mann trösten, ich hielt mich aber zurück, schliesslich trägt er doch nur zur erfolgreichen firmengeschichte bei. und die achtundvierzig euro, die sie mir offensichtlich kulant draufschlagen, um mich nicht als kunden zu verlieren, haben sie bereits erfolgreich tausenden anderen in der slovakei aus der tasche gezogen.

wrstadtische.jpg

wer glaubt, die beste versicherung wäre, aktien einer erfolgreichen versicherung zu kaufen, sollte auch vorsichtig sein. börseninsider formulieren die momentane lage wie folgt:

Charttechnischer Ausblick: Die Aktie von WIENER STÄDTISCHE hat sich zuletzt innerhalb einer breiten Seitwärtszone bewegt. Der Ausbruch aus dieser Seitwärtszone wurde nun sehr deutlich bestätigt. Das Kursziel liegt derzeit beim sichtbaren Tiefkurs von 44,05 Euro. Ein Widerstand wartet hingegen bei 51,33 Euro. Hier käme es zu einem Gapfill des erst kürzlich entstandenen Down-Gaps.

ich werde meine haushaltsversicherung wohl behalten, um die höchstwahrscheinliche überschwemmung in der wohnung unter uns bezahlen zu können, weil jederzeit der waschmaschinenschlauch platzen könnte. und die rechtsschutzversicherung behalte ich, um gegebenfalls die haushaltsversicherung zu verklagen, falls sie den wasserschaden nicht bezahlen will. aber sonst, ich schwörs!, gehe ich unversichert durchs leben!

2.March 2008

um armt.

meine berufliche beschäftigung bringt es zuweilen mit sich, dass ich informationen erhalte, die man/frau sonst beflissentlich überliest, und dies, zum allergrößten teil zurecht. meine lesegewohnheiten nähern sich dem eines scanners an, gestoppt nur durch beruflich vorgegebene keywords oder sporadischer neugier oder schwärmerei. oft ist es nur eine verunglückte schlagzeile (”die leere nimmt ständig zu”; zur situation der verkaufsläden im ortszentrum von horn im waldviertel), die mein herz erwärmt, manchmal ist die kuriosität einer an sich tragischen amtlichen erklärung kaum zu überbieten (so versucht eine frau aus voitsberg ihren mann, karl marx, für tot erklären zu lassen, der, so vermutet man, voriges jahr beim tauchen ertrunken ist - dazu mehr in einigen tagen) und gelegentlich ist die bildhafte vorstellung einer leserInnenbriefschreiberIn vor, bei und nach ihrer tat ein zwiespältiger genuss.

so etwa der brief von herrn sowieso in der wienerzeitung vom 27. feber: der gute mann beschreibt, dass er auf einem u-bahn-bahnsteig von einem osteuropäisch wirkenden mann völlig grundlos umarmt wird. die tatsache, dass ihm nichts geklaut wurde führt er auf seinen dichtgeschlossenen wintermantel zurück und den lesy schreibt er, um alle anderen schon jetzt zu warnen, sich vor allem im sommer, wenn der gepanzerte mantel keinen ausreichenden schutz mehr verspricht, nicht öffentlich umarmen zu lassen. ganz sicher ist sich der mann, dass es keine anderen gründe gibt, ihn zu umarmen, schon gar nicht für einen osteuropäischen mann, ihn den lustfeindlichen homophoben rassisten. noch wähnt er sich nicht allein, warnt alle gleichgesinnten via wiener zeitung vor dem osteuropäisch anmutenden umarmungstrick und die wiener zeitung bietet ihm eine plattform.

hug-the-world.jpg

politischer kopf der bande ist übrigens der australier juan mann, der mit seiner “free hugs-campagne” hinterhältiges umarmen salonfähig machte.